Deutsche Redaktion

Das Attentat auf Gabriel Narutowicz - ein Präsidentenmord, der Polen veränderte

15.12.2022 10:00
Nach der Wiedererlangung der Eigenstaatlichkeit im Jahr 1918 erschütterten Polen nicht nur die anhaltenden Grenzstreitigkeiten mit den Nachbarländern, sondern auch die innere politische Inhomogenität. Der Traum von der nationalen Souveränität ist dennoch Wirklichkeit geworden. Mit aufrichtigem Optimismus meldete sich eine neue Generation von Politikern zu Wort, die aktiv die Zukunft der jungen Republik mitgestalten wollte. Aus dem Ausland kehrten zudem gestandene Größen der Wissenschaft und Kultur zurück, denen in Polen eine bedeutende Rolle zukommen sollte. Unter ihnen war auch Gabriel Narutowicz.
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Gabriel Narutowicz
Gabriel NarutowiczNAC

Der aus der Schweiz angereiste Ingenieur verfügte über weitreichende Kenntnisse in den Bereichen Physik, Mathematik und Bauwesen. Zunächst bekleidete Gabriel Narutowicz verschiedene Ministerämter in den Kabinetten von Wincenty Witos, Antoni Ponikowski und Władysław Grabski, bevor er am 9. Dezember 1922 zum ersten Staatsoberhaupt der Republik Polen gewählt wurde. Seine Präsidentschaft stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Bereits die Wahl wurde von hitzigen Wortgefechten begleitet. Auf den Straßen entlud sich der Zorn des radikalen Mobs, der vergeblich auf die Entscheidung der Nationalversammlung einzuwirken suchte. Narutowicz galt als „Kandidat der nationalen Minderheiten“.

Nur fünf Tage nach seiner Vereidigung wurde er von einem verwirrten Fanatiker hinterrücks ermordet. Das Attentat von Warschau zeigte mit erschreckender Deutlichkeit, wie althergebrachter Fremdenhass um sich griff, wenn der neue polnische Staat enttäuschte. Die historische Aufarbeitung des vor 100 Jahren verübten Präsidentenmords ist allerdings auch voller Missverständnisse - meint Wojciech Osiński.