Haaretz: Israel kapituliert vor Putins Revisionismus des Zweiten Weltkriegs
Mit einer Veranstaltung zum 75. Jahrestag der Befreiung des Nazi-deutschen Vernichtungslagers Auschwitz will die israelische Holocaust-Behörde die Kreml-Kampagne erleichtern, um Polen für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verantwortlich zu machen. So ein Kommentar in der israelischen linksliberalen Zeitung Haaretz mit dem Titel "Die schmutzige Politik hinter der Kapitulation Israels vor Putins Revisionismus des Zweiten Weltkriegs."
Der polnische Präsident Andrzej Duda hat erklärt, erinnert Haaretz, er werde nicht am Welt-Holocaust-Forum teilnehmen, weil die Organisatoren ihm im Gegensatz zu Staatshäuptern aus Russland, Deutschland, Frankreich und Israel, nicht erlaubt hatten, auf der Veranstaltung zu sprechen. Die Zeitung fügt hinzu, dass die Entscheidung Putin, aber nicht Duda, zu erlauben, bei der bevorstehenden Gedenkzeremonie in Jerusalem zu sprechen, das Yad Vashem und die israelische Regierung auf Putins Seite stellen.
Israels Schritt, lesen wir, sei eine stillschweigende Unterstützung für Putins verzerrte Erzählung der Teilung Polens zu Beginn des Zweiten Weltkriegs und das Reinwaschen des russischen Händedrucks mit Hitler, bedauert das Tagesblatt Haaretz.
JNS: Holocaust-Politik ist schlecht für die Juden
Auch das Online-Portal Jewish News Syndicate kritisiert die Organisatoren der bevorstehenden Gedenkfeier in Jerusalem. Die geplante Zeremonie zur Befreiung von Auschwitz im Yad Vashem in Israel wurde von der politischen Rivalität in Israel und der langen Reichweite von Wladimir Putins Einflüssen gekapert, überzeugt das JNS einleitend. Die Absage an den polnischen Präsidenten Duda, heißt es weiter, sollte selbst diejenigen beunruhigen, denen die polnische Sensibilität oder sogar die Details der Erinnerung an den Holocaust nicht besonders wichtig seien. Die Politik hinter der Entscheidung, den polnischen Präsidenten von der Liste der Sprecher während der Gedenkfeier auszuschließen, werde deshalb sogar von linken und rechten Medien in Israel in Übereinstimmung kritisiert.
Im Weiteren erklärt das Online-Blatt, dass Putin eindeutig daran interessiert sei, Polen zu untergraben und von Verbündeten wie Israel zu trennen. Im Gegensatz zu anderen osteuropäischen Regierungen, bemerkt JNS, teile Polen zudem nicht die in Westeuropa übliche Abneigung gegen Israel.
Im Weiteren, beschuldigt das israelische Online- Blatt Russland eines empörenden Revisionismus, indem Putins Außenministerium die Chuzpe habe zu behaupten, der Weltkrieg sei Polens schuld gewesen, und dass Stalins Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten gerechtfertigt war. Polen und Juden sollten nicht durch eine gemeinsame tragische Geschichte zur Feindschaft verurteilt werden, heißt es abschließend. Auch sollten die Interessen Putins oder die absurde Rivalität israelischer Politiker keinen Einfluss darauf haben, wie an den Holocaust erinnert werde, lautet das Fazit der israelischen Online-Zeitung Jewish News Syndicate.
Rzeczpospolita: Was verbirgt Russland vor Polen?
Die konservative Rzeczpospolita schreibt über einen Gastbeitrag des polnischen Kulturministers, in dem Piotr Gliński Russland vorwirft, während des Krieges von der Roten Armee gestohlene Kunstwerke noch nicht an Polen übergeben zu haben. Das Kulturministerium habe, wie wir erfahren, bereits 20 Anträge auf die Rückgabe von Denkmälern aus russischen Museen gestellt. Wertvolle Dokumente, unter anderem aus dem Konzentrationslager KL Auschwitz-Birkenau, sollen auch in russischen Lagerhäusern verborgen liegen. Zu Glińskis Artikel, so die Rzeczpospolita, soll der russische Kulturminister Wladimir Miedinski bereits erklärt haben, die Kunstwerke seien "als Entschädigung für Kriegsverluste überreicht worden" und deswegen nicht erstattungsfähig - also Eigentum der Russischen Föderation.
Die vom polnischen Kultur- und Außenministerium schon vor mehreren Jahren gestellten Anträge, erklärt das Blatt, betreffen indes spezifische Werke. Russische Museen enthalten nämlich auch Kunstwerke, die von der Roten Armee nach dem Krieg geplündert wurden. Schätzungen zufolge, haben die Sowjets aus Polen mehrere Millionen Bücher und eine Million Kunstwerke geraubt. Um den Zugang zu polnischen Kunstobjekten zu erschweren, wurden diese vor einigen Jahren gezielt auf verschiedene Archive in ganz Russland verteilt.
Piotr Siemiński