Deutsche Redaktion

"Ausbeutung ukrainischer Kinder"

05.02.2025 12:20
Der ehemalige polnische Außenminister Jacek Czaputowicz übt in seinem Kommentar für die konservativ-liberale "Rzeczpospolita" scharfe Kritik an der geplanten Kürzung des Kindergelds 800+ für nicht arbeitende ukrainische Flüchtlinge. Außerdem: Was steckt hinter dem Vorschlag Trumps, Waffenlierungen für die Ukraine vom Zugang zu seltenen Erden abhängig zu machen? Und: Wie russische Unternehmen bei der Fabrizierung von wissenschaftlichen Publikationen helfen. Mehr dazu in der Presseschau.
Das Programm 800-Plus gewhrt Familien mit Kindern monatlich 800 Złoty pro Kind bis zum 18. Lebensjahr, unabhngig vom Einkommen. Die Zahlungen werden ausschlielich bargeldlos auf Bankkonten berwiesen.
Das Programm "800-Plus" gewährt Familien mit Kindern monatlich 800 Złoty pro Kind bis zum 18. Lebensjahr, unabhängig vom Einkommen. Die Zahlungen werden ausschließlich bargeldlos auf Bankkonten überwiesen.Shutterstock/Halfpoint

Rzeczpospolita: Ausbeutung ukrainischer Kinder

Der ehemalige polnische Außenminister Jacek Czaputowicz übt in seinem Kommentar für die konservativ-liberale "Rzeczpospolita" scharfe Kritik an der geplanten Kürzung des Kindergelds 800+ für nicht arbeitende ukrainische Flüchtlinge und wirft der polnischen Regierung vor, ein System der Diskriminierung und Ausbeutung gegenüber Ukrainern zu etablieren.

Wie Czaputowicz erinnert, war der Vorschlag, das 800+-Kindergeld nur noch polnischen Bürgern zu gewähren, von Warschaus Stadtpräsident und Präsidentschaftskandidat der Bürgerkoalition Rafał Trzaskowski unterbreitet worden. Polnische Frauen würden die Leistung weiterhin erhalten, während Ukrainerinnen ausgeschlossen wären. Dies, so Czaputowicz, sende ein verheerendes Signal an ukrainische Kinder, die in Polen zur Schule gehen und von denen viele hier bleiben werden. Später würden sie erkennen, dass der polnische Staat sie gerade dann im Stich gelassen habe, als sie seine Hilfe am meisten brauchten.

Czaputowicz betont, dass das 800+-Programm nie an Erwerbstätigkeit gebunden gewesen sei, sondern der Unterstützung von Familien diene. Während manche Polen darauf beharrten, dass ihre Steuergelder nur polnischen Kindern zugutekommen sollten, werde oft übersehen, dass ukrainische Arbeitnehmer in Polen ebenfalls Steuern und Sozialabgaben leisteten. Jährlich zahlten sie 15 Milliarden Zloty in das polnische System ein, während das 800+-Programm für ukrainische Kinder den Staat lediglich 2,8 Milliarden Zloty koste. Daher, so Czaputowicz, sei es eine Verzerrung der Realität, von einer finanziellen Last für Polen zu sprechen. Vielmehr profitiere das Land wirtschaftlich erheblich von der ukrainischen Migration. „Nie genug der Wiederholung: Es sind nicht die Polen, die die ukrainischen Flüchtlinge finanzieren, sondern die Ukrainer, die Polens Entwicklung und Wohlstand mitfinanzieren", betont Czaputowicz und warnt vor einem System der "Diskriminierung, Ausbeutung und Unterdrückung" ukrainischer Flüchtlinge. 

Es sei noch gar nicht so lange her, dass Premierminister Donald Tusk den amerikanischen Republikanern, die bei der Ukraine-Hilfe zögerten, die Leviten gelesen habe: "Schämt euch, Ronald Reagan dreht sich im Grab um”, betonte er. Ähnliche Worte können heute an die polnischen Behörden gerichtet werden, die ukrainische Kindern ausbeuten wollen: "Schämt euch, Johannes Paul II. dreht sich im Grab um!”, so Jacek Czaputowicz in der Rzeczpospolita.

Gazeta Wyborcza: Lithium oder Blut

In einem Kommentar für die linksliberale "Gazeta Wyborcza" analysiert Michał Olszewski die jüngste Äußerung von Donald Trump, wonach die USA weitere Waffenlieferungen an die Ukraine von wirtschaftlichen Gegenleistungen in Form seltener Rohstoffe abhängig machen könnten. Wie der Autor erinnert, habe Trump während eines Pressegesprächs im Weißen Haus erklärt, dass die Ukraine über wertvolle Vorkommen an seltenen Erden verfüge und dass die USA im Gegenzug für ihre finanzielle und militärische Unterstützung eine Absicherung dieser Rohstoffe fordern sollten.

Donald Trump domaga się rzadkich surowców naturalnych od Kijowa w zamian za dalszą pomocą militarną #Wyborcza wyborcza.pl/7,75399,3166...

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— Gazeta Wyborcza (@wyborcza.pl) February 4, 2025 at 6:37 PM

Olszewski verweist auf Berechnungen des Council on Foreign Relations, wonach die bisherige US-Hilfe für Kiew etwa 300 Milliarden Dollar betragen habe. Diese Summe entspreche ungefähr dem Wert der Waffenlieferungen und Finanzhilfen, die Washington geleistet habe. Die Ukraine, die sich seit drei Jahren im Krieg mit Russland befinde, verfüge unter anderem über 20 Prozent der weltweiten Graphitvorkommen, 7 Prozent der globalen Titanreserven und etwa 500.000 Tonnen Lithium, eine der größten bekannten Lagerstätten Europas. Diese Rohstoffe seien essenziell für die globale Technologieproduktion, von der Automobil- bis zur Elektronikindustrie.

Die Idee eines Rohstoffaustauschs, fährt Olszewski fort, sei jedoch nicht neu. Bereits der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe in seinem Friedensplan auf die Bedeutung der Rohstoffe für die Sicherheit der westlichen Welt hingewiesen. Wie Selenskyj betonte, liege es im Interesse der demokratischen Welt, dass Russland diese nicht übernehme. Mit seinem transaktionalen Politikstil greife Trump diesen Vorschlag nun auf und wandle ihn in eine Bedingung für weitere Hilfe um.

Natürlich könne man sich über Trump empören, der die Ukraine unter Druck setzt und eine "Kompensation" für die bisherige Unterstützung der USA fordert. Aber war diese Unterstützung unter Biden uneigennützig, fragt der Autor. Nicht unbedingt - die Ukraine kämpfe nicht nur für ihre Zukunft. Ein Sieg Russlands bedeute eine weitere Stärkung des Moskau-Peking-Bündnisses und damit den Zusammenbruch der bestehenden Ordnung, deren Fundament die USA seien. Es sei daher möglich, dass Trumps Signal zynisch ist. Wenn aber die Fortsetzung der US-Waffenlieferungen wirklich von den seltenen Rohstoffen der Ukraine abhänge, dann bestehe kein Zweifel daran, dass dies der Preis ist, den die Ukraine zahlen muss. Andernfalls könnte es bald passieren, dass sie weder Lithium noch Geld noch Territorium besitzt, so Michał Olszewski in der Gazeta Wyborcza. 

Dziennik/Gazeta Prawna: 1000 Dollar pro Artikel. Wie russische Unternehmen wissenschaftliche Publikationen fabrizieren

Es ist nicht nötig, zu recherchieren, zu schreiben oder sich für eine Zeitschrift zu bewerben - stattdessen genügt es, ein in Russland oder Kasachstan registriertes Unternehmen zu bezahlen, um Autor einer wissenschaftlichen Veröffentlichung zu werden, berichtet das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. 

Laut den Recherchen der Zeitung verfügt allein ein in Moskau registriertes Unternehmen über eine Datenbank mit 11.000 Angeboten zum Verkauf von Autorschaften. Die Preise für eine Platzierung variieren je nach Renommee der Fachzeitschrift: Für ein Scopus-indiziertes Journal der niedrigsten Kategorie (Q4) beginnen die Kosten bei 900 US-Dollar, während eine Platzierung in einer hochrangigen Zeitschrift (Q1) mehr als 2.000 US-Dollar kosten kann. Die Anbieter versichern, dass ihre Dienste nicht durch Antiplagiatssoftware erkannt werden können, lesen wir.

Auch polnische Wissenschaftler könnten von dem Mechanismus profitieren. Angesichts der bevorstehenden Evaluierung der Universitäten sei die Anzahl der Publikationen für viele Hochschulen entscheidend, um ihren wissenschaftlichen Status zu wahren. Die polnische Hochschulrektorenkonferenz sowie die Polnische Akademie der Wissenschaften haben die Praxis scharf verurteilt und rufen dazu auf, Publikationspraktiken künftiger Kandidaten strenger zu überprüfen. Das Wissenschaftsministerium habe bereits angekündigt, dieser Form der Manipulation entschlossen entgegenzutreten, da sie das Vertrauen in die Wissenschaft nachhaltig beschädige. Eine Verschiebung der Evaluierung aufgrund dieser Problematik könne jedoch faire Forschende benachteiligen, die ihre wissenschaftlichen Punkte durch seriöse Arbeit erworben hätten, so die Dziennnik/Gazeta Prawna.

Autor: Adam de Nisau


Polen diskutiert Änderungen am 800-Plus-Programm für Ukrainer

24.01.2025 09:26
Der polnische Innenminister Tomasz Siemoniak hat sich am Freitag für eine Änderung des 800-Plus-Programms für ukrainische Migranten ausgesprochen. Seiner Meinung nach sollte die Auszahlung der staatlichen Leistung an bestimmte Verpflichtungen geknüpft werden, wie etwa Arbeit und Steuerzahlungen in Polen. 

Präsidentschaftskandidat Trzaskowski: Kindergeld nur für arbeitende Ukrainer

28.01.2025 11:47
Der Präsidentschaftskandidat Rafał Trzaskowski (Bürgerkoalition) hat erneut die Einführung von 800+ nur für in Polen arbeitende Ukrainer gefordert. In einem Beitrag auf der Plattform X erklärte er, dass fast 90 Prozent der Polen der Meinung seien, dass die Sozialleistung nicht an Ukrainer gewährt werden sollte, die nicht in Polen arbeiten.

Ukraine-Hilfe: Trump bringt seltene Erden als Gegenleistung ins Spiel

04.02.2025 10:59
„Wir sagen der Ukraine, dass sie über wertvolle Vorkommen seltener Erden verfügt. Wir haben vorgeschlagen, uns dafür Garantien zu geben. Wir wollen Sicherheiten“, erklärte Trump.