Deutsche Redaktion

Ermittler nehmen Richter ins Fadenkreuz

17.12.2019 13:35
Die heißesten Themen in der polnischen Presse bleiben auch heute die neueste Schlacht um die Gerichte und der europäische Klimadeal. Wird der Senat den Regierenden bei der Justizreform einen Strich durch die Rechnung machen? Mehr unter anderem dazu in der Presseschau.
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Die heißesten Themen in der polnischen Presse bleiben auch heute die neueste Schlacht um die Gerichte und der europäische Klimadeal. 

 

Rzeczpospolita: Ermittler nehmen Richter ins Fadenkreuz

Nach dem politischen hin und her der letzten Tage zu den neuesten Gesetzesvorschlägen der Regierungspartei zum Justizsystem, schaltet sich nun auch die Staatsanwaltschaft in den Kampf um die Gerichte ein, berichtet in der heutigen Ausgabe die konservative Rzeczpospolita. So habe Landesstaatsanwalt Bogdan Święczkowski seinen Untergebenen angeordnet, Gerichtsverfahren gegen die Richter einzuleiten, die den Status ihrer neuen, vom umstrittenen Nationalen Richterrat ernannten, Kollegen anzufechten versuchen. Solche Richter, so die Anordnung der Landesstaatsanwaltschaft, sollten aus den Spruchkörpern entfernt werden, um wie es Staatsanwältin Ewa Bialik erklärte, die verfassungsrechtliche Ordnung im Gerichtswesen wiederherzustellen.

Juristen, lesen wir, würden dieses Engagement der Staatsanwaltschaft in den Streit um die Justizreform kritisch beurteilen: “Der Strafkodex enthält ein Kapitel über Verbrechen gegen das Justizsystem”, erklärt der Strafrichter und ehemaliges Mitglied des Nationalen Richterrats, Marek Celej im Interview mit dem Blatt, “aber die Appelle der Richter um den Erhalt verfassungsrechtlicher und europäischer Prinzipien bei der Reform des Gerichtswesens, können als keines dieser Verbrechen kategorisiert werden. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft ist also ein weiterer Versuch, die Richter einzuschüchtern”, so Celej. “Das ist eine offene Kriegserklärung der Regierenden an die Gerichte. Sie zeugt von der Nervosität im Regierungslager”, fügen Juristen von der Initiative #FreieGerichte (#WolneSądy) hinzu, so Rzeczpospolita. 

 

Rzeczpospolita: Senat will Gerichte verteidigen

In einem weiteren Artikel analysiert die Zeitung die Chancen darauf, dass der von der Opposition kontrollierte Senat den Regierenden bei der Einführung des sogenannten Repressionsgesetzes, das laut Kritikern regierungskritische Richter mundtot machen soll, einen Strich durch die Rechnung macht. Denn, so das Blatt, obwohl der Senat die Arbeiten an dem Gesetz nur um einen Monat verzögern könne, könne es ein politisch wichtiger Monat sein. Zwischen dem 6. Januar und dem 6. Februar werde der Sejmmarschall das Datum der Präsidentschaftswahlen verkünden müssen und so werde die Debatte über die kontroverse Gesetzesnovelle sicherlich auch dem Start der Präsidentschaftskampagne den Ton angeben und damit potentiell die Chancen der Opposition erhöhen.

Senatsmarschall Tomasz Grodzki von der Bürgerplattform, erinnert das Blatt, habe schon am Montag angekündigt, dass der Senat alle Mittel nutzen werde, um das Gesetzesprojekt der PiS zu ändern oder abzulehnen. Dazu könne die obere Kammer des Parlaments etwa ausländische Experten zu Rate ziehen oder sich an die Venedig-Kommission wenden. Zudem habe der Senatschef auch die angekündigten Bürgerproteste gegen die umstrittene Gesetzesnovelle unterstützt: “Die Polen sollten zeigen, dass die Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der drei Pfeiler der Demokratie, also der Judikative, Legislative und Exekutive, ihnen am Herzen liegt”, so Grodzki in einem Interview für den privaten Radiosender Radio Zet. Zu den Protesten hätten am Wochenende auch Ex-Premier Donald Tusk und Ex-Präsident Lech Wałęsa aufgerufen, erinnert Rzeczpospolita. 

 

Dziennik/Gazeta Prawna: “Wenn politische Exzesse von Richtern Bürgerinteressen gefährden, muss man reagieren”

In einem Interview für das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna macht der Chef des Exekutivkomitees der Regierungspartei PiS Krzysztof Sobolewski indes die Richter für das Chaos im Justizsystem verantwortlich. Denn, so der Politiker, die Mitglieder der so wörtlich “außerordentlichen Kaste” seien es schließlich gewesen, die kurz vor Weihnachten begonnen hätten, das Vorrecht des Staatspräsidenten zur Ernennung von Richtern und die Legalität des Nationalen Richterrats anzufechten. Die politischen Exzesse einer gewissen, kleinen Gruppe von Richtern, lesen wir weiter, habe man bis zu einem gewissen Moment tolerieren können, aber wenn sie die Interessen der Bürger zu gefährden beginnen, dann müsse man reagieren. Ein Teil der Richter, die offen mit der Opposition zusammenarbeiten, habe entschieden, das Gerichtssystem in Polen zu sprengen, die Regierungspartei habe reagiert. In Polen herrsche Demokratie, die auf der Dreiteilung der Gewalten, also der Legislative, Exekutive und Judikative beruhe. Die PiS werde nicht zulassen, dass sich Polen in eine Richterkratie verwandle. Das sei alles, so Sobolewski.

Gefragt danach, ob die PiS keine Zuspitzung des Konflikts mit Brüssel befürchte, erinnert Sobolewski daran, dass sich die eingeführten Änderungen auf französischen Lösungen stützen. Und da Frankreich eine europäische Musterdemokratie sei, seien bestimmt auch alle französischen Vorschriften optimal. Er habe nicht bemerkt, dass Vorschriften über Gerichte die Beziehungen zwischen Paris und Brüssel belastet haben, so Sobolewski.

Die Bürger, betont der Politiker weiter, seien empört darüber, was in den Gerichten vor sich gehe und würden auf die Begriffe “Gericht” und “Richter” negativ reagieren. Daher sei die Regierungspartei determiniert, die Justizreform zu Ende zu bringen. Mehr zu den Einzelheiten werde die Partei nach den Präsidentschaftswahlen verraten, so der Chef des Exekutivkomitees der PiS im Interview mit Dziennik/Gazeta Prawna. 

 

Gazeta Polska Codziennie: Wir haben eine Billion Złoty gerettet

In ihrem Kommentar zum neulichen Klimagipfel der EU, präsentiert die nationalkonservative Gazeta Polska Codziennie die von Polen erzielten Vereinbarungen als großen Erfolg der Regierung. Polen habe, wie das Blatt erinnert, als einziger EU-Staat harte Deklarationen zum Tempo der Wende hin zu Klimaneutralität vermeiden können. “Die Klimaneutralität in der Form, in der sie die EU-Kommission forciert, wäre für Polen und besonders für Schlesien ein wirtschaftliches Todesurteil”, erklärt im Interview mit dem Blatt der Vorsitzende der Solidarność-Gewerkschaft in der Region śląsko-dąbrowskie, Dominik Kolorz. Laut den Kalkulationen der Solidarność könnte Polen infolge des Verzichts auf Kohle mindestens 140 Tausend Arbeitsstellen verlieren. Premierminister Morawiecki sei es aber glücklicherweise gelungen, die chaotische und vorschnelle Einführung der Grünen Ordnung zu verhindern.

Laut Kolorz werde das Konzept der Grünen Ordnung von den reichen EU-Staaten forciert: “Man muss den Menschen bewusst machen, dass es hier weder ums Klima, noch um saubere Luft geht, sondern um harte wirtschaftliche Interessen und die Profitgier der Reichen auf Kosten der Ärmeren”, meint Kolorz. Gehe es nach Experten, so das Blatt weiter, könnte die Revolution in der Energetik Polen langfristig über eine Billion Złoty kosten. “Auf der Welt kreist zu viel freies Bargeld und Finanzinstitutionen suchen nach Wegen, eine weitere Industrie-Revolution zu erzwingen - diesmal eine der grünen Sorte, um das Geld jemandem leihen zu können”, fügt Finanzanalytiker Adrian Ostrowski hinzu. Seiner Meinung nach liege dies auch im Interesse solcher Staaten, wie Frankreich oder Schweden, die praktisch keine Kohleenergie haben und die dank der Wende einen Wettbewerbsvorteil erzielen werden, lesen wir in Gazeta Polska Codziennie. 

Autor: Adam de Nisau