Sikorski erinnerte sich an den Film Independence Day, in dem die Vereinigten Staaten als unbestrittene Führungsmacht der Welt angesehen wurden - eine Rolle, die heute angezweifelt werde. „Einst erwarteten andere Nationen, dass Amerika in Krisenzeiten eine Lösung findet“, schrieb er. Wie er feststellte, seien die Verbündeten Jahrzehnte später skeptisch gegenüber der amerikanischen Führung geworden. Er zitierte Äußerungen von US-Präsident Donald Trump, der die NATO-Mitglieder aufgefordert hat, ihre Verteidigungsausgaben von 2 Prozent des BIP auf 5 Prozent zu erhöhen.
Wie der Minister betonte, könne die Sicherheit Europas nicht länger als eine Dienstleistung Washingtons betrachtet werden. Ferner stellte Sikorski fest, die europäische Unabhängigkeit sei nicht unvereinbar mit einer engen Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten. Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 haben die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten mehr als 140 Mrd. USD in verschiedenen Formen der Unterstützung für Kiew bereitgestellt. Bis 2027 wurde eine zusätzliche Verpflichtung von bis zu 54 Mrd. USD zum Wiederaufbau und zur Modernisierung der Ukraine vereinbart.
Polen, das derzeit den Vorsitz im Rat der Europäischen Union innehat, hat die Sicherheit zu seiner obersten Priorität gemacht. Wie Sikorski betonte, ist Polen bereits einer der größten Verteidigungszahler der NATO. Warschau wende fast 5 Prozent seines BIP für die Verteidigung auf. Die USA geben dagegen nur etwa 3,5 Prozent ihres BIP aus. Im vergangenen Jahr war Polen ein wichtiger Kunde des militärisch-industriellen Komplexes der Vereinigten Staaten geworden. Es hat Patriot-Raketensysteme, Abrams-Panzer, Apache-Hubschrauber und F-35-Kampfjets gekauft.
Wie Sikorski weiter ausführte, seien zwar einige Verbündete der amerikanischen Macht überdrüssig, doch das derzeitige globale Sicherheitsumfeld, das von einer „autokratischen Achse“ aus Russland, Iran, Nordkorea und China beherrscht wird, erfordere engere transatlantische Beziehungen. „Unsere Gegner wünschen sich nichts sehnlicher, als dass wir durch wirtschaftliche Streitigkeiten zersplittert und gespalten werden“, warnte er. Nur ein geschlossenes Bündnis könne diesen Bedrohungen wirksam begegnen, betonte er.
Mit Blick auf die Zukunft rief Sikorski Europa dazu auf, mehr Verantwortung für seine eigene Sicherheit zu übernehmen und dabei weiterhin eng mit den Vereinigten Staaten zusammenzuarbeiten. „Lassen Sie uns den Weg der Partnerschaft, des Friedens durch Stärke, als Freunde und Verbündete fortsetzen“, hieß es in der NYT.
NYT/PAP/ps