Rzeczpospolita: Gerichtsreform bereit
Die konservativ-liberale Rzeczpospolita befasst sich in ihrem heutigen Aufmacher mit umfassenden Plänen zur Justizreform, die insbesondere den Status der sogenannten „Neorichter“ – also der Richter, die nach 2018 ernannt worden sind – infrage stellen. Wie das Blatt berichtet, stehen offenbar zwei Gesetzesvorschläge im Raum:
Der erste Vorschlag sieht vor, dass die rund 1.200 Neorichter nach Inkrafttreten der neuen Regelungen unmittelbar in ihre früheren Positionen, von vor der Beförderung, zurückkehren. Jüngere Richter – jene, die direkt vor ihrer Ernennung als Assessoren tätig waren oder die Richterprüfung bestanden haben – sollen von der Regelung ausgenommen bleiben.
Der zweite Ansatz sieht eine individuelle Überprüfung durch einen künftig einzurichtenden Nationalen Justizrat vor, wobei auch die Möglichkeit bestehen soll, Entscheidungen des Justizrats an den Obersten Gerichtshof weiterzuleiten.
Beide Varianten, so das Blatt weiter, beinhalten zudem die Abschaffung zweier „neuer Kammern“ des Obersten Gerichtshofs sowie die Eliminierung der außerordentlichen Beschwerde. Beide Vorschläge gehen davon aus, dass die Millionen bereits erlassenen Urteile, an denen sogenannte “Neorichter” beteiligt gewesen seien, weiterhin in Kraft bleiben, so Rzeczpospolita.
Rzeczpospolita: Werden Neo-Richter den Präsidentschaftswahlkampf bestimmen?
Werden die umstrittenen Neorichter den Präsidentschaftswahlkampf bestimmen, fragt in ihrem Beitrag für das Blatt die Publizistin Ewa Szadkowska.
Das Berufungsgericht in Stettin , lesen wir, habe am Freitag die lebenslange Haftstrafe für Mariusz G. aufgehoben, der in den Medien als „Blutige Tulpe“ bezeichnet wird. Der Grund dafür sei die Anwesenheit eines so genannten „Neorichters“ in der Urteilskommission gewesen. Im Juni 2024 habe Leszek G., ein zu 15 Jahren Haft wegen Mordes verurteilter Berufskraftfahrer, das Gefängnis verlassen. Er sei völlig betrunken gewesen, als er vier Jahre zuvor mit seinem Auto ein anderes Fahrzeug rammte, in dem sich ein Ehepaar befand. Nun solle der Fall neu aufgerollt werden. Auch die Chancen, dass sich ein stalinistischer Richter, der heute 97-jährige ehemalige Präsident des Obersten Gerichtshofs Bogdan Dzięcioł, für sein Justizverbrechen verantworten muss, einen jungen Piloten, der 1952 versuchte, ins Ausland zu fliehen, zum Tode zu verurteilen, würden ebenfalls immer geringer werden. Was die Fälle miteinander verbindet, sei die Tatsache, dass im Spruchkörper mindestens ein Richter vertreten gewesen sei, dessen Status umstritten sei.
Beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte seien zudem bereits mehrere hundert Beschwerden von Polen anhängig, denen das Recht auf ein unabhängiges, unparteiisches Gericht vorenthalten worden sei. Allein im Januar dieses Jahres habe sich die polnische Regierung bereit erklärt, im Rahmen der Vergleiche, die durch die Entscheidung des Straßburger Gerichtshofs bestätigt wurden, mehr als 1,5 Millionen PLN an Personen zu zahlen, deren Fälle von Neo-Richtern des Obersten Gerichtshofs entschieden wurden. All dies ist ein messbarer Preis für den andauernden juristischen Stillstand, auch wenn Geld hier natürlich nicht das Wichtigste ist.
Dieser Stillstand sei in erster Linie eine Folge der von der Vorgängerregierung durchgeführten „Reformen“ des Justizwesens, die im Wesentlichen auf personelle Säuberungen in den Gerichten und die Entwicklung eines Systems zur Ernennung von Richtern mit fragwürdigem Status hinausliefen.
Aber auch die derzeitige Regierung, die mit dem Slogan der Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit in die Wahlen gegangen sei, sei nicht ohne Schuld. Seit mehr als einem Jahr sei nicht viel passiert, und jeder Vorwurf der Langsamkeit oder des Fehlens konkreter Vorschläge zur Verbesserung der Situation (abgesehen von Ankündigungen) werde mit dem krönenden Argument „Präsident Andrzej Duda wird sowieso sein Veto einlegen“ abgetan. Nur gebe ihm bisher niemand eine große Chance dazu.
Bei der Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit in der Justiz gehe es nicht darum, die Erwartungen der Rechtsgemeinschaft an eine „Vergangenheitsbewältigung“ zu erfüllen, sondern institutionelle Garantien für das Recht des Bürgers auf unabhängige Rechtsprechung zu schaffen.
Die Tatsache, dass das Justizressort heute zwei fertige Entwürfe und zwei unterschiedliche Konzepte zur Lösung des Problems der so genannten 'Neo-Richter' vorlegen wil zeige, dass es selbst in den Reihen derer, die den Rechtsstaat wiederherstellen wollen, keinen Konsens über die Methoden gib, mit denen dies geschehen soll. Kritik von Seiten der derzeitigen Opposition sei mehr als sicher.
Es ist daher zu erwarten, dass die Arbeit an der endgültigen Ausgestaltung der juristischen Änderungen zu einer der Achsen des aufkeimenden Wahlkampfes werden wird. Sie hoffe nur, dass dies nicht das eigentliche Ziel war, so Ewa Szadkowska in der Rzeczpospolita.
Newsweek: Kaczynski wütend auf Dudas Entourage. "Er hält sie für Verräter".
Staatspräsident Andrzej Duda sieht in der rechtskonservativen PiS und der rechtsextremen Konföderation mögliche künftige Koalitionspartner und will Sławomir Mentzen als dritten Kandidaten für die Präsidentschaftswahl etablieren, berichtet die polnische Ausgabe von "Newsweek". Besonders Marcin Mastalerek, der Leiter von Dudas Präsidialkanzlei, setze sich dafür ein.
Laut dem Blatt betrachte PiS-Chef Jarosław Kaczyński das Umfeld Dudas als "Verräter" und sei wütend darüber, dass es Einfluss auf die Zukunft der Partei gewinnen könnte. Dudas Berater hofften, dass sie durch die Unterstützung der Konföderation und Mentzens Kandidatur langfristig eine Allianz zwischen PiS und der Konföderation schmieden könnten. Ihr Ziel sei es, die Zeit der Regierung Donald Tusks abzuwarten, um sich danach als entscheidende Kraft für eine Rückkehr der Rechten an die Macht zu positionieren.
Das Magazin schreibt weiter, dass Duda bewusst darauf verzichte, einen klaren Präferenzkandidaten zu benennen. Stattdessen ziehe er es vor, gemischte Signale der Sympathie an verschiedene rechte Politiker zu senden, während sein Umfeld ihn in Richtung Mentzen dränge. Duda scheine keinen Widerstand zu leisten, da er durch die Stärkung Mentzens zugleich Kaczyński eins auswischen könne, heißt es in "Newsweek".
Autor: Adam de Nisau