Rzeczpospolita: Mehr als eine Umgestaltung braucht die Regierung eine Vision
Premierminister Donald Tusk scheint mit seiner Ankündigung einer tiefgreifenden Regierungsumbildung und eines "Systemwechsels" auf ein soziales und politisches Bedürfnis zu reagieren, schreibt Michał Szułdrzyński in der konservativ-liberalen "Rzeczpospolita". Es, so der Autor, sei jedoch ein Fehler anzunehmen, dass die Größe der Regierung das Hauptproblem sei. Wenn etwas nicht funktioniere, liege das nicht daran, dass Polen eine der größten Regierungen Europas habe. Ihre bloße Verkleinerung werde die aktuellen Herausforderungen nicht lösen.
Geht es nach Szułdrzyński, sei weder die Größe der Regierung noch das System selbst das Problem, sondern die Struktur des Kabinetts. Viele Minister seien zu starke Parteipolitiker: Digitalisierungsminister Krzysztof Gawkowski sei einer der Vorsitzenden der Linken, Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz führe die Bauernpartei (PSL), und Katarzyna Pełczyńska-Nałęcz sei die erste Stellvertreterin von Sejmmarschall Szymon Hołownia bei Polen 2050. Tusk selbst sei Vorsitzender der Bürgerplattform (PO). Andere Minister, wie Außenminister Radosław Sikorski oder Innenminister Tomasz Siemoniak, seien kompetent, hätten aber keine starke Parteibasis und seien daher von Tusks Vertrauen abhängig. Dies mache die Regierung extrem uneinheitlich.
Zwei weitere Probleme kämen hinzu. Erstens: Donald Tusk selbst. Er sei sowohl die größte Stärke als auch eine Ursache für Schwierigkeiten. Als eine der prägendsten Figuren der polnischen Politik dominiere er sein Kabinett vollständig. Ohne Regierungssprecher fungiere er selbst als Gehirn, Gesicht und Stimme seiner Administration. Das Resultat: Jeder Erfolg der Regierung werde ihm zugeschrieben – aber ebenso jedes Scheitern.
Zweitens fehle ein wirtschaftliches Entscheidungszentrum. Polen stehe vor enormen Herausforderungen, etwa dem Bau mehrerer Atomkraftwerke. Doch Tusk sei zu sehr mit Tagespolitik beschäftigt, um langfristige Strategien zu verfolgen. Ohne klare Zukunftsvision drohe Polen wirtschaftlich zurückzufallen, so der Autor. In seinen früheren Amtszeiten habe Tusk seinen Ministern ironisch geraten, mit Visionen zum Arzt zu gehen. Heute jedoch verlange das Land gerade nach solchen großen Visionen. Polen müsse entscheiden, welche Rolle es in globalen Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz und Hochleistungs-Chips spielen wolle. Solche Fragen ließen sich nicht mit PR-Tricks lösen. "Langfristige Strategien entstehen nicht durch Machtspiele in der Koalition", resümiert der Autor.
Wprost: Wie sich Kiew auf Verhandlungen mit Moskau vorbereitet
Die Ukraine führe ihre Operationen in ganz Russland mit einer erstaunlichen Freiheit und Effizienz durch – bemerkenswert für ein Land, das angeblich den Krieg verliere, schreibt Jakub Mielnik in der Wochenzeitschrift "Wprost". Ukrainische Drohnen würden regelmäßig die russische Ölindustrie attackieren. Und Geheimdienste würden russische Offiziere, Ingenieure und Kollaborateure in Moskau liquidieren.
So sei kürzlich ein berüchtigter Gangster und Anhänger des gestürzten ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch in einem Moskauer Krankenhaus verblutet. Armen Sarkisjan, Chef des Arbat-Bataillons, einer paramilitärischen Gruppe mit kriminellen Wurzeln, sei durch eine Bombe im Aufzug seines Wohnhauses getötet worden – trotz bewaffneter Leibwächter. Dies zeige, wie groß der Handlungsspielraum des ukrainischen Geheimdienstes im Herzen Russlands sei. Sarkisjan sei nur einer von vielen hochrangigen Akteuren des Krieges, die in oder um Moskau herum eliminiert wurden. Im Dezember habe der ukrainische Geheimdienst SBU den russischen General Igor Kirillow getötet, der für Chemiewaffen verantwortlich gewesen sein soll. Zuvor sei Michail Schazki ausgeschaltet worden, ein Ingenieur, der russische Raketen modernisierte.
Auch Kollaborateure wie der ehemalige ukrainische Polizist Sergej Jewsjukow, verantwortlich für das umstrittene Gefängnis in Oleniwka, seien gezielt getötet worden. Dieses Lager sei von russischen Streitkräften mit Raketen angegriffen worden, wobei mindestens 50 ukrainische Kriegsgefangene starben. Kiew wolle mit diesen Operationen unmissverständlich klarstellen, dass ohne seine Zustimmung keine Verhandlungen mit Russland stattfinden dürften, urteilt Jakub Mielnik in "Wprost".
Dziennik Gazeta Prawna: Balten trennen sich vom postsowjetischen Stromnetz
Die baltischen Staaten werden sich am Samstag vom postsowjetischen BRELL-Stromnetz trennen und am Sonntag an das europäische Synchronnetz anschließen, berichtet das Wirtschaftsblatt "Dziennik Gazeta Prawna" (DGP). Dies sei ein entscheidender Schritt, um sich energetisch dauerhaft von Russland zu lösen.
Einerseits werde damit eine stabile Anbindung an den EU-Strommarkt geschaffen. Andererseits werde die russische Exklave Kaliningrad zu einer "Energieinsel", die autark operieren müsse. Die Synchronisierung mit dem europäischen Netz mache die baltischen Staaten unabhängig von dem russischen Betreiber des BRELL-Systems und minimiere geopolitische Risiken, erklärt der Energieexperte Wojciech Jakóbik.
Russland sehe diesen Schritt kritisch und verbreite bereits Desinformationen über angebliche Probleme und hohe Kosten der Umstellung, heißt es weiter. Tatsächlich bringe die Integration in das europäische Netz jedoch wirtschaftliche Vorteile. Polnische Stromerzeuger dürften von der Abkopplung profitieren, denn die baltischen Staaten würden noch lange auf Energieimporte angewiesen sein, so das Blatt.
Autor: Piotr Siemiński